Uncovering Hoi An's impactful places (part 1 of 2)
©Goy Le / Auf dem Bild: Xích Lô (Cyclo) = ein traditionelles, vietnamesisches Fahrrad, das damals zum Transport von Personen und Waren verwendet wurde
Wer ein mal in Hoi An war, weiß was gemeint ist, wenn ich sage, dass diese Stadt einfach nur magisch ist. Hoi An wurde damals 1999 aufgrund ihrer kulturellen Vielfalt, Architektur und die gut erhaltenen Gebäude von der UNESCO zurecht zum Weltkulturerbe erklärt. Das schöne Stadtbild geht bis ins 15. / 16. Jahrhundert zurück, als Hoi An (auf Deutsch: Handelsstadt am Meer) damals zu einer der bedeutendsten Handelshafen gehörte. Das macht sich bis heute sogar noch bemerkbar, denn die Einflüsse aus China, Japan und europäischen Ländern verleihen der kleinen Laternenstadt bis heute noch ihren Charme.
Neben den handgefertigten Seidenprodukten, den zahlreichen Boutiquen, den Laternen und der leckeren Küche, hat Hoi An einige Orte und Aktivitäten zu bieten, die mich während meiner Reise berührt haben.
Uff, wo fange ich hier nur an? Das Reaching Out sieht von außen aus wie ein ruhiges, schönes Teehaus mit leckeren Tee- und Kaffeesorten und wirklich wunderschönen Tee-, und Kaffeesets. Man spürt direkt die innere Ruhe und Frieden, die das Teehaus von außen ausstrahlt.
Die Stille macht sich durch das ganze Haus spür-, und hörbar, denn es wird hauptsächlich geflüstert oder mit Gebärdensprache kommuniziert. Das Personal ist gehörlos, man kommuniziert mit kleinen Bausteinen, die man mit der Menükarte serviert bekommt. Hinter dem Teehaus, gibt es eine Werkstätte, in der das handgefertigte Geschirr von Menschen mit besonderen Bedürfnissen hergestellt wird. Was direkt auffällt ist die Liebe zum Detail und der Sinn für Ästhetik- jedes Tee-, und Kaffee-Set ist so schön dekoriert: so minimalistisch, ästhetisch und grazil.
Hintergrundgeschichte: Der Besitzer des Teehauses, Herr Binh ist aufgrund eines medizinischen Missgeschicks auf einen Rollstuhl angewiesen. Als seine Frau Quyen ihn damals kennenlernte, wurde ihr erst ab da klar, dass sie in eine neue Welt eintaucht, in der Menschen mit besonderen Bedürfnissen in Vietnam oft nicht auf dem Arbeitsmarkt gesehen werden und kaum Möglichkeiten haben sich in der Gemeinschaft zu integrieren. Das Video und die rührende Geschichte zur Entstehung von Reaching Out dazu gibt es hier.
Ich hatte das Video vor Jahren mal meinen Eltern gezeigt. Umso schöner war es für mich, dass ich sie dieses Jahr endlich zu dem Ort führen durfte. An dem Tag haben wir Frau Quyen im Teehaus getroffen. Sie hat sich zu uns gesetzt und wir haben uns eine Weile unterhalten. 5 Minuten später haben Mama, Frau Quyen und ich vor Rührung und Dankbarkeit alle Pipi in den Augen gehabt 🥹. Meine Mama hat sich bei Frau Quyen und ihrem Mann für ihre Arbeit und die Möglichkeiten, die sie schaffen, bedankt. Für mich persönlich war es ein unglaublich schöner und emotionaler Moment, meine Mama auf diese Weise zu sehen und die Möglichkeit zu haben, unsere Wertschätzung persönlich an Frau Quyen zu überbringen.
2. Black Sesame Soup Demonstration - chè mè đen
Während unseres Aufenthalts in Hoi An erzählte meine Mutter mir von dem Gericht “chè mè đen”und empfahl mir, danach im Internet zu suchen. Ich wusste erstmal nicht, was chè mè đen sein sollte.. Ich kenne nur das typische vietnamesische Dessert “chè” (Dessert bestehend aus verschiedenen Zutaten, wie z.B. Kokosmilch, Mungbohnen, Tapiokaperlen, uvm.). Chè mè đen hingegen - auch bekannt als “Black Sesame Soup” oder schwarzer Sesamtee ist ein traditionelles Dessertgericht aus Hoi An, das ursprünglich aus China stammt.
Während ich auf Google Maps nach schwarzen Sesamtee gesucht hatte, wurde mir eine Ort angezeigt: “Black Sesame Soup Demonstration” und die Adresse wurde als “unnamed road” gekennzeichnet. Hm.. komisch, aber irgendwie auch mysteriös. Ein Satz, das mir bei der Google Bewertung ins Auge gestoßen ist, war “it’s a hidden gem.” 💎
Bei unserer Ankunft, wurden wir von einem jungen Mann begrüßt, der uns in sein gemütliches Wohnzimmer eingeladen hat. Sein Wohnzimmer war wie ein kleines Museum eingerichtet, mit den ganzen Zutaten, Mörser und Stößel, überall hingen Fotos von einem älteren Ehepaar an der Wand und in der Ecke des Wohnzimmers stand ein Ahnenaltar.
Es hat keine Sekunde gedauert, als eine ältere Damen ganz schüchtern am Türrahmen erschien und uns für eine Weile stumm beobachtete. Nachdem wir sie begrüßt haben, hat sie uns weiterhin angeschaut, sich auf ihr Bett gesetzt und ihre Füße baumeln lassen. Auf irgendeiner Art und Weise, hatte sie etwas total kindliches ausgestrahlt und ich hatte in dem Moment den Eindruck, in die Augen eines kleinen, schüchternen Mädchens zu blicken.
Als der Besitzer uns 4 kleine Schüssel mit Chè mè đen serviert hat, hat er uns erklärt, dass die ältere Dame seine Mutter sei. Später fanden wir heraus, dass sie dieses Jahr 100 Jahre alt geworden ist. Wow, 100 Jahre! Beim genaueren Hinschauen wurde mir klar: das ist die süße Frau auf den ganzen Fotos, die an der Wand hängen. Und der Mann neben ihr auf den Bildern ist, wie wir an dem Abend erfahren haben, ihr Ehemann Herr Ngo Thieu, der letztes Jahr im Alter von 108 Jahren (!) vestorben ist. Ich war völlig erstaunt und fasziniert über diesen Ort, der so unscheinbar erscheint. An der Wand hängt im Wohnzimmer eine riesengroße Tafel mit der Geschichte und Entstehung von Chè mè đen und der Familiengeschichte von Herr Ngo Thieu und seiner Frau.
Der schwarze Sesamtee wird in der Regel warm serviert. Die Konsistenz kann je nach Vorliebe dick wie ein Pudding oder auch etwas wässriger sein. In unserem schwarzen Sesamtee waren folgende Zutaten:
Kudzu Stärke (bột sắn dây)
Süßkartoffel
schwarze Sesamsamen
Kokosmilch
indischer Wassernabel (rau má)
verschiedene vietnamesische Kräuter
Wir unterhielten uns noch eine Weile mit dem jungen Mann und ich muss sagen..der Besuch in mir einen “Full-Circle-Moment” ausgelöst. Angefangen bei meiner Mama, die unbedingt Chè mè đen mit uns essen wollte und in Erinnerung an ihren Opa und Kindheit schwelgte. Bis hin zur Begegnung mit der 100-jährigen alten Dame, die Geschichte von ihrem Mann und das Gespräch mit ihrem Sohn, der seit dem Tod seines Vaters bestrebt ist, das Erbe und die Geschichte seiner Eltern am Leben zu erhalten. Ey, 100 Jahre. Wie viel man da erlebt, durchlebt und erfahren hat… ich muss bis heute noch daran denken, weil mich das so fasziniert.
Jedes Mal, wenn ich ältere Menschen in Vietnam sehe, muss ich automatisch an meine eigenen Großeltern denken - an dem Abend war das noch intensiver und ich war voller Demut und Dankbarkeit, dass wir dort waren. Herr Ngo Thieu und seine Frau sind im gleichen Alter wie meine Großeltern. Meine Oma hätte in diesem Jahr ebenfalls ihren 100. Geburtstag gefeiert und mein Opa wäre dieses Jahr ebenfalls 108 Jahre alt geworden. Hm.. schön, was so ein kleiner schwarzer Sesamtee in mir auslösen kann.
Fotocredits by Goy Le - www.goyle.de